Als ich mich dazu entschlossen hatte, mir eine erste eigene Kamera zuzulegen, musste ich mich zuerst umfangreich informieren, welche Modelle für mich und meine Bedürfnisse am geeignetsten wären. Als Student hat dabei natürlich auch der finanzielle Faktor eine große Rolle gespielt. Die erste Frage, die sich mir gestellt hat war: Welches Format? Vollformat, APSC, MFT ... alle haben bestimmte Vor- und Nachteile, die es abzuwägen galt.
Man könnte denken das Vollformat ist immer das Beste für die Tier- und Naturfotografie, allerdings gab es für mich persönlich einige Punkte die mich davon abhielten. Das soll nicht heißen, dass Vollformat Kameras dafür ungeeignet wären, schließlich fotografieren die meisten Profi-Naturfotografen im Vollformat. Nur für mich passt das MFT-Format aktuell besser, dafür gibt es mehrere Gründe.
Das ist zum einen der Preis - klar, man kann sich eine ältere Spiegelreflex-Vollformat Kamera am Gebrauchtmarkt zulegen und kommt dabei recht günstig davon, man muss aber auch bedenken, dass die Objektive dazu um ein wesentliches teurer sein können als MFT-Objektive. Die Gesamtkosten für Kamera, Objektive, Zubehör wie z.B. Batteriegriff usw. summieren sich also.
Dazu kommen noch meine persönlichen Vorlieben, die mich zum MFT-Format gebracht haben:
Spiegellos - ich bevorzuge Spiegellose Systeme, aus mehreren Gründen, hauptsächlich wegen der Praktikabilität das Bild schon am Bildschirm oder im digitalen Sucher live so sehen zu können, wie es tatsächlich belichtet wird, das spart wertvolle Zeit und verhindert falsch belichtete Bilder, enorm wichtig wenn man schnell sein muss - z.B. wenn ein Feldhase von der Sonne in den Schatten hoppelt und man innerhalb von Sekunden manuell die Belichtung anpassen muss. Ein weiterer wichtiger Punkt bei spiegellosen Systemen ist der "Silent Mode", bei dem der Verschluss komplett geräuschlos funktioniert, was hilft, um die Tiere nicht auf sich aufmerksam zu machen. Es gibt mittlerweile tolle spiegellose Vollformat-Kameras, wie zum Beispiel die Kameras der Canon R-Reihe. (Vielleicht mein Favorit für einen Umstieg auf Vollformat?)
Gewicht - im Vergleich zu Vollformat-Kameras ist das Gesamtgewicht von Kamera + Objektiv bei MFT-Kameras um ein wesentliches geringer, also besser geeignet für Bergtouren oder stundenlange Märsche durch die Auen und auch wesentlich bequemer in der Hand zu halten beim Fotografieren. Letzteres ist für mich besonders wichtig, da ich für meine Makrofotografien und Tieraufnahmen so gut wie nie ein Stativ verwende.
Telewirkung - dadurch, dass der Sensor ca. halb so groß ist, wie bei Vollformat-Kameras erzielt man beim MFT-Format eine enorme Vergrößerungswirkung, die 2x so stark erscheint. Aus meinem 400mm Tele wird also automatisch ein 800mm Tele. Die Fotografen unter euch wissen natürlich, dass es nicht Wirklich einer Brennweite von 800mm entspricht, sondern nur so wirkt wegen dem geringeren Bildausschnitt - das habe ich hier etwas vereinfacht ausgedrückt.
Einige weitere Eigenschaften, die für mich persönlich wichtig sind, findet man nicht bei jeder Kamera:
Klappbildschirm/Touchscreen - ein klappbarer Bildschirm kann in vielen Situationen von Vorteil sein. Wenn man so wie ich oft Dinge fotografiert, die sich nahe am Boden befinden, und man sich nicht jedes Mal hinlegen möchte um durch den Sucher oder auf den Bildschirm schauen zu können, ist ein Klappbildschirm sehr praktisch. Der Touchscreen hilft um z.B. den Fokuspunkt schnell und exakt verschieben zu können.
Joystick - ein Joystick ist ebenfalls hilfreich, wenn es darum geht den Autofokusbereich zu verschieben.
Bedienungsräder - Ich benutze gerne 3 verschiedene Räder, um mit zwei Fingern schnell Blende, Belichtungszeit und ISO anzupassen. Ein enormer Effizienzfaktor in der manuellen Fotografie.
schnelle Serienbildaufnahme - nicht nur beim Einfangen von bewegten Motiven (wie Vögel im Flug bspw.), sondern auch in der Makrofotografie auf der Hand benötigt man eine schelle Serienbildfunktion.
Bracketing - Als Bracketing bezeichnet man das Erstellen von Schärfenreihen, also das Zusammenfügen mehrerer Aufnahmen mit unterschiedlichen Schärfenebenen um ein Bild mit höherer Schärfentiefe zu bekommen - vor allem in der Makrofotografie enorm von Bedeutung! (Die Aufnahme der Schärfenreihe in der Kamera nennt man "Bracketing" und das Zusammenfügen der Aufnahmen in der Bearbeitung am PC nennt man "Stacking"). Manche Kameras bieten "in-camera-bracketing" und/oder man hat die Möglichkeit den Fokus automatisch nach hinten verschieben zu lassen, ohne die Kamera selbst dabei zu bewegen.
Alle diese Punkte betrachtend, hat sich dann ein Modell besonders für mich hervorgetan: Die Panasonic Lumix G9. Ich hab sie mir dann, sowie auch meine Objektive, gebraucht gekauft. Das spart nochmal Geld und die Ausrüstung ist im Prinzip wie neu, wenn der Vorbesitzer entsprechend darauf aufgepasst hat.
Es gibt auch noch andere tolle MFT-Kameras von Panasonic und Olympus, APSC-Kameras z.B. von Sony und natürlich auch Vollformat Kameras, die auch super für meine Zwecke geeignet wären. Schlussendlich war es eine Kombination der oben genannten Vorteile, die genau für meine Anwendungszwecke gepasst haben und mich vom MFT-Format überzeugen konnten. Es ist allerdings alles Abhängig von persönlichen Vorlieben und Budget, für jemand anderen ist evtl. eine ganz andere Kamera, oder ein anderes Format besser geeignet.
Das MFT-Format bringt aber auch Nachteile mit sich, die ich hier auch nicht unerwähnt lassen möchte: Die Nachteile:
weniger Lichtstark - MFT-Kameras bekommen leichter Probleme bei schlechten Lichtverhältnissen. Der ISO (Sensorempfindlichkeit) sollte stets niedrig gehalten werden, sonst bekommt man schnell Bildrauschen und die Kontraste nehmen ab. Bei modernen Vollformat Kameras kann der ISO enorm hoch angesetzt werden ohne deutliche Einbußen im Bild zu bemerken - ein klarer Pluspunkt fürs Vollformat.
Freistellung - ein Punkt der in Fotografie-Foren immer wieder heiß diskutiert wird. Klar ist - ja, es ist mit einer Vollformat Kamera wesentlich einfacher, mit einem entsprechenden Objektiv mit einer niedrigen Offenblende, ein Motiv freizustellen. Es ist aber absolut möglich auch mit MFT-Kameras eine tolle Freistellung hinzubekommen - man benötigt nur das entsprechende Know-How. Im Makro Bereich ist die Freistellung eher weniger das Problem, sofern man offenblendig fotografiert, da kommt mir sogar die etwas höhere Schärfentiefe des MFT-Formats entgegen. Mit einer guten, lichtstarken Linse ist eine schöne Freistellung meiner Erfahrung nach überhaupt kein Problem.
Strombedarf - Spiegellose Systeme haben natürlich einen höheren Strombedarf als Spiegelreflexkameras. Diesen Nachteil kann man leicht eliminieren, indem man einfach 3 aufgeladene Akkus mitnimmt, so kommt man ganz leicht über den Tag. (wenn man nicht so wie ich tausende Bilder pro Tag schießt, reicht wsl. einer locker)
Zuschnitt - bei einer niedrigeren Auflösung sollte man seine Bilder besser nicht zu sehr zuschneiden. Ich versuche deshalb immer schon beim Fotografieren den richtigen Bildausschnitt zu erwischen. Bei der Nachbearbeitung habe ich allerdings mit 20mp schon noch genug Auflösung um ein bisschen zuschneiden zu können, die Lumix G9 ist allerdings auch eines der Top-MFT-Modelle und hat dementsprechend eine hohe Auflösung und Bildqualität, im High Resolution Modus unter Verwendung eines Stativs sogar 80 Megapixel. Bei anderen MFT-Kameras könnte das aber durchaus zu beachten sein.
Fazit
Seit 2021 fotografiere ich im MFT-Format und bin immer noch absolut zufrieden mit meiner Entscheidung. Immer wieder bin ich froh über das geringe Gewicht der Ausrüstung bei meinen Ausflügen und auch die Bildqualität kann mich noch absolut zufriedenstellen. Seit dem Update für den Autofocus der Lumix G9 bin ich auch damit ganz zufrieden. Die einzigen relevanten Nachteile sind für mich das leicht auftretende Bildrauschen bei höheren ISO-Werten und schlechten Lichtverhältnisse und das Fehlen eines Teleobjektives mit einer Offenblende von 2.8 und entsprechender Brennweite für das MFT-Format. Allerdings kann man heutzutage durch KI-Tools das Bildrauschen ganz gut entfernen, wenn man das denn möchte und man kann alle möglichen Vollformat Objektive per Adapter (bzw. Speedbooster) auch an MFT-Kameras anbringen.
Alles in allem passt das Format einfach sehr gut zu mir und meinen Bedürfnissen und es gibt so gut wie keine bedeutenden Einschränkungen, deshalb werde ich wohl noch viele Bilder damit erschaffen.